Warum es so mit Mastodon nicht weiter gehen kann

Disclaimer: Dies sind meine Gedanken und stehen nicht mit dem norden.social Team in Verbindung.

Wenn mich jetzt jemand „Wo sehen Sie sich in 5 Jahren?“ fragen würde, dann wäre meine Antwort definitiv „Nicht als Mastodon Admin oder Moderator“.

Kurz nachdem Elon Musk Twitter übernommen hatte, schrieb er, dass ein Moderation Counsil gegründet werden soll, indem die unterschiedlichsten Meinungen vertreten sind.

Falls dies in Kraft tritt und auch nur ansatzweise divers vertreten ist, hätte Twitter damit meiner Meinung nach eine bessere Moderation als Mastodon. Damit meine ich nicht nur strukturell, sondern auf der personellen Ebene. Aber warum?

Die meisten Instanzen sind als Hobby-Projekt gestartet und sind 2022 stark gewachsen. Diese Leute sind nicht nur Admins, sondern auch Moderator:innen. Wie der Alltag in den letzten fünf Jahren aussah, hat Rixx sehr gut zusammengeschrieben.
Bezeichnend fand ich folgendes Zitat:

Es hört nicht auf. Es hört nie auf. Es liegt in der Natur der Menschen, dass sie nicht aufhören und vielschichtig sind, und kaum bösen Willen beweisen, sondern nur ein oft erschreckendes Maß an Unbeholfenheit. Wir handhaben all das trotz eines allgegenwärtigen Publikums, das bereit ist, nicht nur das Schlimmste anzunehmen, sondern auch laut vorzuwerfen – uns, unseren User*innen, und Umstehenden. Wir bewältigen diese Situationen, indem wir uns sehr, sehr bemühen, das Richtige zu tun.

Rixx

Die Arbeit als Moderator empfinde ich zu 98 % als sehr entspannt und es gibt eigentlich nichts zu tun. Die restlichen 2 % sind aber die Energiefresser. Manche Themen beschäftigen einen tagelang oder rauben ein gesamtes Wochenende. Auch ich und alle anderen wollen das Richtige tun. Aber oft sehe ich mich nicht mal in der richtigen Position, eine angemessene Entscheidung treffen zu können.
Wenn ich ehrlich bin, habe ich den Anspruch, dass die organisierenden Personen eines Dienstes im Internet moralisch gefestigt, sehr divers und rational handelnd sind. Ich unterstelle jetzt einfach mal jeder Mastodon Instanz, dass sie keiner dieser Kriterien komplett entspricht. Denn diese Aufgaben kann nicht von einer Person alleine gestemmt werden. Erfahrungsgemäß auch nicht von einer kleinen Gruppe von Personen. Wie groß eine Gruppe sein sollte, damit diese Kriterien erfüllt sind, kann ich leider auch nicht sagen. Dafür habe ich zu wenig Fachwissen und finde auch keine einleuchtende Erklärung im Netz.

Das Problem mit dem Geld

Interessanterweise ist die Lösung aller Probleme für viele Nutzer:innen erst einmal Geld. Ich kann es ihnen auch nicht verübeln. Es scheint simpel. Ich gebe Geld für einen Dienst, der meinen Wünschen entspricht und das Team dahinter arbeitet dafür. Geben mehr Leute Geld, arbeitet das Team besser. Leider funktioniert das in den seltensten Fällen, denn die Instanzen sind sehr oft einfach nur Hobbyprojekte, die jetzt skalieren müssen. Hier haben die meisten einen Vollzeitjob. Hier wird eher mehr Zeit vom Privatleben geopfert. Das Hobby wächst plötzlich über den Kopf.
Dieses Jahr haben ein paar Instanzen geschlossen, weil das private Leben wichtiger war. Das ist gut so, allerdings unerfreulich für die Mitglieder der Instanz.

Nur mal als Beispiel können wir gerne die Rechnung aufmachen und norden.social nach dem Vorbild von mastodon.social betreiben. Die Kosten für den Server sind ca. 140 Euro im Monat, wenn ich die Zahlen vom Mastodon Open Collective nehme, kostet eine Moderator:in für einen Monat etwa 100-110€. Also: Admin/Mod x 5 + Server = ~700€ für einen Monat Mastodon Instanz. Da wäre norden.social nach weniger als 2 Monaten pleite. Schade.

Schaue ich auf den aktuellen Stand der Mastodon Landschaft, sehe ich ein Problem. Die Leute erwarten die „Twitter Alternative“ und eine Horde von Leuten versuchen in ihrer privaten Zeit diese Aufgabe irgendwie zu stemmen und beuten sich selbst aus. Man möchte ja hoffen, dass zumindest die Mastodon gGmbH irgendwie besser aufgestellt ist. Allerdings hört sich Eugen an, als würde er demnächst durch Burn-out ausfallen.

Was ist die Alternative der Alternative?

Gehen wir mal vom bestmöglichen Szenario aus, welches sich für Twitter ergeben kann. Der Twitter Counsil wird Realität und das Netzwerk wächst und gedeiht.
Alle sind glücklich und Twitter ist eine Blumenwiese im Sonnenschein. Was wäre hier der Vorteil von Mastodon als Alternative?

Erst einmal wäre Mastodon „made in Europe“, dessen Code keiner US-amerikanischen Behörde unterliegt und dazu noch Open-Source ist.

Dann ist da tatsächlich die föderierte Dezentralität, aber nicht, wie die meisten es sich vorstellen. Niemand möchte seine Daten im Schrank neben den Socken gehostet haben, sondern ordentlich und sicher mit Support und allem was dazugehört. Ich stelle mir da eher etwas wie einen Verein vor, der sich um seine Instanz kümmert und aus einem Konglomerat von vielen Instanzbetreibenden besteht. Ähnlich wie die Struktur des CCC, der aus einzelnen Vereinen und Gruppen besteht, die sich organisieren und finanzieren.
Das Äquivalent zum Twitter Counsil wäre dann in dieser Struktur vorgegeben. Menschen würden sich bei Änderungen und Entscheidungen beispielsweise mit LiquidFeedback abstimmen.
All das, um die Last von einzelnen Personen auf größere und viel besser geeignete Strukturen umzuschichten.

Das alles ist viel komplizierter, als ein einzelnes Unternehmen wie Twitter zu organisieren und zu strukturieren. Aber so wie Mastodon jetzt funktioniert, wird es zwar nicht zusammenbrechen, aber nie ein ernst zu nehmender Dienst sein.

Außerdem: Es ist jetzt schon schwer, Leuten Mastodon zu erklären. Wie soll man diese viel komplexere Struktur vermitteln?

So wie es ist, kann es nicht bleiben

Auch dieser Run auf Mastodon wird vorbeigehen. Es wird wieder ruhiger und dann wird sich zeigen, wie die nächste Zeit aussieht. Ich hoffe, dass sich mehr Leute wie zum Beispiel freiburg.social organisieren und eine Möglichkeit haben, einen vernünftigen Dienst anzubieten.

Und wenn ihr nur hier bis zum Ende gescrollt habt, wäre mein Wunsch an euch, dass ihr nicht nur einfach euer Geld in Spendentöpfe werft, sondern auch mal fragt, ob alles ok ist und mit euren Fähigkeiten Hilfe anbietet. Ich für meinen Teil freue mich auf die Zukunft, aber bin langsam nicht mehr bereit kostenlos für eine anonyme Gruppe die Konkurrenz eines US-Konzerns hochzuziehen.

Ich habe noch weitere Posts über norden.social und Mastodon geschrieben:

2 Antworten zu „Warum es so mit Mastodon nicht weiter gehen kann

  1. Avatar von niklasbarning

    Diese Woche ist ein großer Teil von Twitter zu Bluesky abgewandert und hat die Mastodon-Bubble kopfschüttelnd zurückgelassen.

  2. […] Warum es so mit Mastodon nicht weiter gehen kann […]