In der politischen Komfortzone

Meine erste politische Erinnerung ist die Demo gegen den Irak-Krieg. Meine zweite ist ein Angriff von Nazis auf ein Sommerfest, bei dem ich als Teil des Teams vom Dröönläänd Achim mitgeholfen habe. Ich war immer einer von vielen auf den Demos, bei denen ich mitgelaufen bin. Gegen Rechts, für eine fahrradfreundliche Stadt und so weiter.

Ich musste nie Angst davor haben, von Rechten angegriffen zu werden. Selbst wenn jemand auf einer WG-Party nicht meiner Meinung war, hat man entweder diese Person gemieden oder konnte miteinander reden.

Heute, einen Tag nach der deutschen EU-Wahl, stellt sich heraus, dass ich in einem gallischen Dorf wohne, umringt von Römern.

Ich bin in einer politischen Bubble aufgewachsen und lebe bis heute in ihr. Laut Tagesschau hat Bremen größtenteils die SPD gewählt. Die Stadtteile, in denen ich mich bewege, wählen Grün. Die anderen wichtigen Städte in meinem Leben, Hamburg und Berlin, sind grüne Flecken im blauen/schwarzen Sumpf.

Muss ich also feststellen, dass meine öffentlichen politischen Aussagen eigentlich immer in einer Echokammer passiert sind?

In dem Verein, den wir für norden.social gründen, steht als einer der Zwecke:

der Aufbau und die Unterhaltung von Bildungsmaßnahmen zu Sicherheit und Kommunikation in den Sozialen Medien, etwa Lernangebote zu Dynamiken der Kommunikation in den sozialen Medien und zu Interventionsmöglichkeiten gegen digitale Gewalt

Satzung des Vereins

Aber wie viel bringt es, solche Dinge zu tun, wenn dein Umfeld dir eh zustimmt? Haben wir in den Podcasts, die wir jahrelang gemacht haben, ohne Angriffe gegen Rechts positionieren können, weil wir eh zu Gleichgesinnten gesprochen haben?

Politisch sein war für mich bisher immer sehr bequem.

Was also tun? Ich weiß, dass die Standardantwort „Werde Teil einer Partei“ ist. Leider musste ich für mich, der schon Teil von diversen Vereinen war, feststellen, dass dieses Sich-in-eine-bestehende-Struktur-Eingliedern und erstmal Basisarbeit machen nichts für mich ist. Einerseits will ich direkt ins Arbeiten kommen und nicht von der Runde, in der entschieden wird, abgeschirmt werden. Andererseits ist das alles auch einfach ein Vollzeitjob. Im Interview mit Kai Wargalla habe ich dann auch gelernt, dass es nicht einfacher wird, je höher man die politische Karriereleiter klettert.

Ich weiß noch nicht, was meine nächsten Schritte sind. Vielleicht ist auch das, was ich tue, gut genug und der norden.social Verein wird mein Beitrag zur Welt. Wir werden sehen.

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7 Antworten zu „In der politischen Komfortzone

  1. cloudless_sky

    @barning
    Trotz der Bubble in der wir leben ist – norden.social ein sehr (!) wichtiger Beitrag.
    Weil – von da draußen in der Realwelt kann man/frau sich jederzeit entscheiden zu Besuch zu kommen … ist möglicherweise Rückenstärkung dort wo man/frau wohnt. Hier sind ja nicht nur Bremer, Oldenburger, Hamburger, Flensburger (vergessene bitte sich als eingefügt betrachten) unterwegs ….

  2. Steffen Voß

    Es ist ein Irrglaube, der auch innerhalb von Parteien gepflegt wird, dass man in Parteien nur innerhalb der bestehenden Gremien arbeiten kann und man sich da hocharbeiten muss.

    Parteien sind erst einmal Organisationen, in denen sich Leute zusammenfinden, die ähnliche Werte haben. Du kannst Dir da jederzeit Gleichgesinnte suche und Ideen auch außerhalb von Gremien entwickeln. Die Gremien sind in der Regel froh, wenn jemand arbeitet und Dinge einbringt. Dann wird das auch unterstützt.

    Außerdem gibt es neben der Struktur Ortsverein, Kreisverband, Landesverband, Parteivorstand auch Arbeitsgemeinschaften, in denen man thematisch zusammenarbeitet. Dort kann man ziemlich schnell loslegen.

    Das ist zumindest meine Erfahrung in der SPD. Ich vermute aber, dass das in anderen Parteien nicht so groß anders ist.

  3. Kai
    Kai

    „Leider musste ich für mich, der schon Teil von diversen Vereinen war, feststellen, dass dieses Sich-in-eine-bestehende-Struktur-Eingliedern und erstmal Basisarbeit machen nichts für mich ist.“

    Ja, nun. So ist das in jedem Verein, jeder Firma, jeder Partei, jeder Uni und so weiter. Nirgends klingelt man an der Tür und wird gleich die Abteilung irgendwo leiten. Gerade in einer repräsentativen Demokratie, in der man Menschen wählt, will man diese natürlich auch erst einmal kennenlernen. Wenn ich Dich in ein Amt oder Mandat wähle, will ich natürlich vorher wissen, wie Du arbeitest oder auch wie Du mit Menschen umgehst.

    Ich weiß nicht, wie Du Dir das sonst vorstellst.

    1. niklasbarning
      niklasbarning

      Meine Erfahrung ist aber eher, dass sich lieber an bestehende Strukturen gehalten wird, als den Neuzugang einzuarbeiten und die Arbeit attraktiv zu gestalten. Habe neulich mit einem VOLT-Mitglied gesprochen und selbst dort bleibt scheinbar alles schön bürokratisch, anstatt gute Ideen anzunehmen.

  4. Senioradmin

    @barning Ansonsten Zustimmung, vor allem zu dem Absatz über die Mitarbeit in Parteien.

  5. Senioradmin

    @barning Kleiner stilistischer Hinweis: Der Satz „Meine zweite ist ein Angriff von Nazis auf ein Sommerfest, bei dem ich mitgeholfen habe. “ könnte, wenn man böswillig ist, missverstanden werden …

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