6½ Jahre meines Lebens – Wir beenden einen Podcast

Dass ich meine Gedanken zum Ende von „Gefährliches Halbwissen“ aufschreiben möchte habe ich schon länger beschlossen. Tatsächlich damit anzufangen fällt mir irgendwie schwer, denn es ist eine Trennung die noch nicht real ist (ich schreibe eine Woche vor der letzten Folge) aber irgendwann real sein wird.

Ich mache seit 2010 Podcast, doch irgendetwas war anders bei „Gefährliches Halbwissen“. Vielleicht war es die unbedarftheit mit der Florenz und ich da rangegangen waren. Es war 2015, ich Mitte 20 und eine erneute Podcastwelle ging durch Deutschland. Zu der damaligen Zeit musste man noch Leuten erklären, was ein Podcast ist und nicht alle verstanden den Sinn dahinter. Kaum zu Glauben. Heute verdrehen alle eher die Augen wenn wieder jemand einen neuen Podcast startet.
Wir hatten einfach Spaß daran über Themen zu reden auf die wir Lust hatten. Wahrscheinlich war es spätestens nach dem hinzukommen von Kevin und einer großartigen Introsprecherin, der Mix an Persönlichkeiten, den die Leute gut fanden. Und natürlich das große Glück auf einmal auf Platz 1 der deutschen iTunes-Charts inklusive Banner zu stehen.

Platz 1 der iTunes Charts
Platz 1 der iTunes Charts (August 2015)

Es kam einfach so. Wir sabbelten uns an die Spitze von Deutschland und plötzlich hörten uns tausende Menschen zu. Tatsächlich kamen wir erst fast ein Jahr später auf die Idee mit diesen Leuten in Kontakt treten zu wollen und gründeten eine eigene Telegram-Gruppe (damals war das noch ok). Danach war alles immer natürlich und kam fast von selbst. Wir trafen berühmte Leute, bevor sie berühmt wurden und traten als erster Livepodcast auf der Breminale auf. Das alles, während wir immer in Kontakt mit unseren Hörer:innen waren, die unser Hobby unterstützten. Sogar Verabredungen untereinander entstanden und so erreichten uns manche Fotos von gemeinsamen Abenden inklusive Burger. Wir waren Teil einer große Familie, ohne wirklich die Leute zu kennen, die uns hörten.

Dann kam Ende 2017 der Knaller. Florenz hatte keine Lust mehr. Total verständlich, denn knapp 3 Jahre seines Lebens alle 2 Wochen über irgendeinen Kram zu reden kann auch irgendwann zu viel werden. Kevin und ich wurschtelten uns fast ein Jahr lang zu zweit und manchmal mit Gäst:innen alle zwei Wochen durch die Welt, bis wir irgendwann auf Pascal und Mihaela stießen.
Zu der Zeit hatten wir uns ein eigenes Studio eingerichtet und konnten uns an einen runden Tisch setzen und einfach anfangen Quatsch zu machen. Für mich ging damals ein Traum in Erfüllung, denn irgendwie faszinierten mich Studios schon immer.

Das Studio
Das Studio

Was nun folgte, wurde später von Florenz als „der zweite Frühling“ bezeichnet. Diese neue Konstellation beflügelte uns tatsächlich ein Jahr lang wieder alle zwei Wochen uns zusammenzusetzen und über die Welt zu reden. Wie viel Spaß wir mit unserer Runde hatten, kann man nachträglich an der Anzahl der Gäste feststellen. Es waren nur zwei. Wir waren uns genug.

Und dann kam sie. Die 100. Folge. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal 100 Folgen von einem Podcast aufnehmen würde. Es war für uns klar, dass wir etwas Besonderes machen wollten. Eine Abendgala mit Gästen. So kam eine Idee auf die Nächste und ehe wir uns versahen, hatten wir einen Ticketshop online für ein Event im Presseclub Bremen. Dieser Abend hatte alles, was eine Gala benötigte. Musik, Videobotschaften und natürlich Diashows. Wir hatten eine bewusst kleine Runde mit ca. 30 Leuten. Eine bunte Mischung aus Freunden und Hörer:innen. So im Nachhinein betrachtet, begleitete dieser Abend die Stimmung, die wir schon immer beim Podcast hatten. Alles war natürlich, nichts gezwungen und man konnte sich wohlfühlen.

Unsere Runde auf der 100. Folge
Unsere Runde auf der 100. Folge. Foto von Thorben

Ab der 100. Folge stellten wir fest, dass etwas anders werden muss.
Wir hatten sehr große Lust darauf, Leute aus Bremen vor das Mikrofon zu holen, damit sie uns erzählen, was sie so tun. Jede 3. Folge sollte dann so etwas wie ein Recap und Laberpodcast werden. Was wir nicht auf dem Schirm hatten: Corona.
Ein Glück hatten wir schon viele Folgen vorproduziert, konnten somit den ersten Lockdown komplett ausharren und im Sommer neue Folgen aufnehmen.
So entstand innerhalb des Podcasts eine komplett neue Leidenschaft, die später dem Format entwuchs und ein neuer Podcast werden sollte.
Mir gefiel das alles sehr. Leute kennenlernen und Orte betreten, die man sonst nie so gesehen hätte. Unvergessen ist für mich die Folge im Universum Bremen, wo wir eine Führung vor der offiziellen Öffnungszeit bekommen haben.

Interview mit Kai Wargalla
Interview mit Kai Wargalla

Wir wollten mehr und merkten, dass der Name und die Erscheinung nicht zu dem Format passte. Daher entschieden wir uns 2021 eine kleine Pause bei den Interviews einzulegen und einen komplett neuen Podcast zu starten, der einfach nur diese Interviews beinhaltet. Um‘ Pudding war entstanden.
Ihr merkt, wo es drauf hinausläuft. Irgendwie waren wir dem „lustigen Laberpodcast“ entwachsen und wollten als lokaler Interviewpodcast ernst genommen werden. Gefährliches Halbwissen war wie eine Jacke, die irgendwie begann zu kratzen. Einmal im Monat holt man sie heraus, weil sie so schön ist, aber dann merkt man, dass es irgendwie nicht mehr passt.
Also fragte ich in die Runde, ob wir 2022 noch Lust auf „Gefährliches Halbwissen“ haben. Die Antworten inklusive meiner eigenen waren negativ.

So schnell kann es gehen. 6 ½ Jahre meines Lebens lege ich nun hiermit ins Archiv. Jahre, in denen ich Freunde durch den Podcast gefunden habe. Neue Orte habe ich kennengelernt und mit fremden Leuten geredet, als würde ich sie schon seit Jahren kennen. Uns alle vereint dieses kleine nischige Projekt, welches viele Geschichten erzählt hat.
Am Ende kann ich nur noch Danke sagen. Danke fürs Zuhören. Danke fürs dabei sein. Danke für alles.